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Ist ESG tot oder entwickelt es sich weiter?

9th Juli 2025

Das Narrativ, dass ESG tot sei, hat sich in den Medien verbreitet, aber ein genauerer Blick auf die Daten zeigt eine andere Geschichte für Europa.

Einige Politiker und Investoren haben ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) als nichts weiter als ein politisches Schlagwort bezeichnet, insbesondere in den USA. Gleichzeitig haben die EU-Regulierungsbehörden die Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung mit dem sogenannten Omnibus-Paket gesenkt, um die Unternehmen zu entlasten.

Diese Kombination aus Medienecho und vorgeschlagenen regulatorischen Änderungen hat den Eindruck genährt, dass ESG in Ungnade gefallen ist. In der Praxis sind die grundlegenden Triebkräfte der nachhaltigen Finanzwirtschaft jedoch nach wie vor stark. Auch wenn sich die Terminologie und die Regeln ändern mögen, sind die Nachhaltigkeitsziele noch lange nicht aufgegeben. Die meisten Großinvestoren und Aufsichtsbehörden betrachten Nachhaltigkeit nach wie vor als Kernstück des langfristigen Geschäftserfolgs und nicht als Modeerscheinung.

Stimmung der Anleger: ESG-Engagement bleibt stark

Im Gegensatz zu einem Narrativ der Desillusionierung und der berechtigten Sorgen über das derzeitige Ausmaß und Tempo der EU-Deregulierung, die als potenzielle Schwächung des Europäischen Green Deal und damit verbundener Rechtsvorschriften kritisiert wird, halten institutionelle Anleger ihr ESG-Engagement weitgehend aufrecht. Jüngste Daten zeigen jedoch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen.

Vor allem in den Vereinigten Staaten wurden im zehnten Quartal in Folge ESG-Fonds abgezogen, insgesamt 6,1 Milliarden US-Dollar. Dieser Trend spiegelt eine anhaltende Ablehnung von ESG-Initiativen wider, die maßgeblich von den jüngsten politischen Entwicklungen beeinflusst wird, insbesondere von Präsident Donald Trump und der Politik seiner Regierung, die Klima- und Sozialinitiativen depriorisiert und auf Bemühungen um Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) ausgerichtet hat.

Inmitten der Auswirkungen der Änderungen in der US-Politik und der globalen Unsicherheit verzeichnete Europa, das lange Zeit führend im Bereich der nachhaltigen Finanzierung war, erstmals seit 2018 Nettoabflüsse aus Umwelt-, Sozial- und Governance-Fonds: 1,2 Milliarden US-Dollar wurden im ersten Quartal 2025 abgezogen. Dennoch ist das Engagement für ESG-Grundsätze in der Region weiterhin groß.

Darüber hinaus blieb das globale ESG-Fondsuniversum mit 3,16 Billionen US-Dollar Ende März 2025 auf einem hohen Niveau. Eine kürzlich von BNP Paribas durchgeführte Umfrage unter 420 Vermögenseigentümern, Vermögensverwaltern und privaten Kapitalgesellschaften an 29 Standorten weltweit ergab, dass fast 9 von 10 Anlegern angeben, dass sie ihre nachhaltigen Anlageziele nicht zurückschrauben.

Nur 3 % der Umfrageteilnehmer geben zu, ihre ESG-Ziele reduziert zu haben. Stattdessen geben 87 % an, dass ihre ESG-Ziele unverändert bleiben. Ebenso stimmte fast die Hälfte der Investoren zu, dass die jüngsten Umwälzungen ihr Engagement nicht verändert haben, obwohl viele zugeben, dass sie leiser darüber sprechen werden.

Die Daten von BNP zeigen auch, dass 85 % der Anleger inzwischen Nachhaltigkeit in ihre Anlageentscheidungen einbeziehen, während sie sich in der Vergangenheit auf ein allgemeines ESG-Screening verlassen haben. Mehr als 80 % der befragten Anleger gehen davon aus, dass das Tempo des ESG-Fortschritts bis 2030 gleich bleiben oder sich beschleunigen wird.

Nichtsdestotrotz haben die Investoren Probleme bei der Umsetzung. Rund 58 % nennen ESG-Datenlücken oder Qualitätsprobleme als größtes Hindernis für nachhaltige Investitionen. Etwa die Hälfte der Befragten plant, die Budgets für die Datenerfassung und -analyse zu erhöhen, und fast vier von zehn planen, mehr in die Berichterstattung und die Messung der Auswirkungen zu investieren, wobei KI als strategischer Wegbereiter für Datenmanagement und Nachhaltigkeitsberichterstattung gilt.

Regulatorische Verschiebungen: Omnibus-Pakete, „Stop-the-Clock“ und mehr

Die europäische Regulierungslandschaft befindet sich in der Tat in einer Phase großer Veränderungen.

Am 26. Februar 2025 verabschiedete die EU-Kommission das Omnibus-I-Paket, das eine Reihe umfassender Vereinfachungsmaßnahmen für verschiedene Rechtsbereiche vorsieht, darunter Vorschriften für nachhaltige Finanzierungen, den Mechanismus zur Anpassung der Kohlenstoffgrenzwerte (CBAM) und Investitionsrahmen.

Ein Schlüsselelement dieser Initiative ist die „Stop-the-clock“-Richtlinie der Europäischen Union, die am 14. April 2025 vom Europäischen Rat formell endgültig verabschiedet wurde. Mit dieser Richtlinie werden die Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten gemäß der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), der EU-Taxonomierichtlinie und der Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen (CSDDD) aufgeschoben.

Während die „Stop-the-clock“-Richtlinie nun in Kraft ist, wird über das umfassendere Omnibus-Vereinfachungspaket weiter verhandelt, wobei das Europäische Parlament voraussichtlich im Oktober 2025 über diese Vorschläge abstimmen wird.

In der Zwischenzeit hat die Europäische Kommission am 4. Juli 2025 einen delegierten Rechtsakt erlassen, um die Anwendung der EU-Taxonomie zu vereinfachen. Ziel dieser Änderungen ist es, den Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern und gleichzeitig die Kernziele des Rechtsrahmens zu wahren. Diese Änderung ist Teil des bereits erwähnten Omnibus I-Pakets und aktualisiert die delegierten Rechtsakte zur Taxonomie, zum Klima und zum Umweltschutz. Die neuen Verordnungen werden nach einer viermonatigen Prüfung durch das Europäische Parlament und den Rat am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Was wir im Moment wissen, ist, dass die Europäische Kommission mit dem Omnibus-Paket wesentliche Änderungen an den Nachhaltigkeitsvorschriften vorschlägt. Für die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) wird beispielsweise die Mindestanzahl der Beschäftigten auf 1.000 (von 250) angehoben und die Umsatzschwelle auf 450 Millionen Euro angehoben. Dies allein würde etwa 80 % der Unternehmen von der Berichtspflicht ausschließen. Der EU-Rat billigte einen noch höheren Schwellenwert für die CSDDD, wonach nur Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten oder einem Umsatz von über 1,5 Mrd. Euro erfasst werden sollen.

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den regulatorischen Aufwand zu verringern, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und Investitionen anzuziehen. Kritiker warnen jedoch vor den potenziellen langfristigen Kosten und argumentieren, dass die Darstellung der Einhaltung von ESG-Vorschriften als Belastung irreführend ist, da die Nachhaltigkeitsberichterstattung letztlich die Wettbewerbsfähigkeit verbessert und Werte schafft.

„Die Behauptung, dass die Berichterstattung und die Sorgfaltspflicht eine kostspielige Belastung darstellen, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt, ist irreführend und fehlgeleitet. Diese ungenaue Wahrnehmung ist die Wurzel des Problems und nicht der Wunsch nach Vereinfachung an sich“, sagte Andreas Rasche, Professor für Business in Society & Associate Dean an der Copenhagen Business School.

ESG als Chance: Verlagerung auf die Wettbewerbsfähigkeit

Die vielleicht wichtigste Entwicklung ist konzeptioneller Natur. Vorausschauende Unternehmen, Finanzinstitute und Investoren betrachten ESG zunehmend nicht mehr als Kostenstelle, sondern als Motor für Widerstandsfähigkeit und Wettbewerbsvorteile. Die Einbindung von Nachhaltigkeit senkt tendenziell das Risiko von Regulierung, Lieferkette und Reputation und kann neue Marktchancen erschließen. Rund 79 % der Anleger betrachten den Umgang eines Unternehmens mit ökologischen, sozialen und Governance-Risiken und -Chancen als entscheidend für ihre Entscheidungen.

Auf regionaler Ebene ist Europa weiterhin führend bei der Umstellung auf nachhaltige Finanzen. 83 % der weltweiten ESG-Vermögenswerte werden von europäischen Anlegern verwaltet, was die stärkere politische Unterstützung und das Interesse der Anleger im Vergleich zu Nordamerika widerspiegelt. Ebenso haben etwa 88 % der großen öffentlichen Unternehmen weltweit eine ESG-Initiative ins Leben gerufen.

Nutzung von KI für ESG: Der Schlüssel zur nächsten Phase

Man ist sich bewusst, dass qualitativ hochwertige ESG-Daten sowohl der Engpass als auch der Wegbereiter für Fortschritt sind. Die meisten Unternehmen geben zu, dass die schlechte Qualität oder Verfügbarkeit von Daten ein wesentliches Hindernis darstellt. Glücklicherweise gibt es Software und Tools für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die mithilfe von KI und fortschrittlicher Analytik leistungsstarke Lösungen bieten.

Künstliche Intelligenz ist ein wichtiges Instrument zur Bewältigung von Datenproblemen. Banken haben sich in der Vergangenheit mit ESG-Daten schwer getan, weil es den Eingaben an Standardisierung, Struktur und Nachvollziehbarkeit mangelt. Aber KI beschleunigt den Bereinigungs- und Integrationsprozess dramatisch.

KI für Datenaggregation und -bereinigung

Mit maschinellem Lernen können ESG-Informationen aus verschiedenen Quellen wie PDF-Berichten, Offenlegungen, Newsfeeds und regulatorischen Texten automatisch gescannt und in strukturierte Datensätze normalisiert werden. Dadurch wird das Problem der Fragmentierung gelöst: Anstatt dass Analysten Dutzende von Dokumenten manuell durchsuchen, nimmt KI Datenpunkte (wie Emissionen, Energieverbrauch und Lieferkettenkennzahlen) in großem Umfang auf und kennzeichnet sie. So können fortschrittliche NLP-Tools beispielsweise die technischen Abschnitte von Geschäftsberichten analysieren, um Kohlenstoffzahlen oder Nachhaltigkeitsziele zu extrahieren.

Automatisierte Analyse und Berichterstattung

Sobald die Daten erfasst sind, kann KI die Analyse und Berichterstattung übernehmen. KI-gesteuerte Systeme können interne Daten auf sich entwickelnde Vorschriften (wie die CSRD und die EU-Taxonomie) abbilden und sogar automatisch Entwürfe für Offenlegungen generieren. In der Praxis verzeichnen Unternehmen und Finanzinstitute, die KI für die ESG-Berichterstattung einsetzen, eine bis zu 40 % schnellere Verarbeitung und eine 30 % höhere Genauigkeit. Darüber hinaus können KI-Agenten kontinuierlich neue Informationen überwachen, von sich ändernden Vorschriften bis hin zu Echtzeit-Nachrichten, und Lücken in der Einhaltung der Vorschriften aufzeigen, bevor sie zu Problemen werden.

Strategische Erkenntnisse und Risikomodellierung

Über die Datenverarbeitung hinaus kann KI Nachhaltigkeitsdaten in geschäftliche Erkenntnisse umsetzen. So können Modelle beispielsweise ESG-Faktoren in Algorithmen für das Kreditrisiko integrieren. Ebenso können KI-gesteuerte Analysen Korrelationen zwischen Nachhaltigkeitsleistung und Finanzkennzahlen aufzeigen. Letztlich geht es darum, ESG zu einem wichtigen Bestandteil der Unternehmensstrategien zu machen.

Engagement der Industrie für Technologie

Umfragen zeigen, dass etwa 50 % der Unternehmen bei der Erfassung von ESG-Daten immer noch stark auf Tabellenkalkulationen angewiesen sind. 90 % planen jedoch, ihre ESG-Investitionen in den nächsten Jahren zu erhöhen, insbesondere durch die Einstellung von Fachpersonal und den Kauf fortschrittlicher KI-Software.

Mit anderen Worten: Die Banken erkennen die Notwendigkeit digitaler und künstlicher Intelligenz (KI), um in der sich entwickelnden Nachhaltigkeitslandschaft erfolgreich zu sein, und erkennen an, dass der Einsatz von Tools, die natürliche Sprachverarbeitung, Datenextraktion und Compliance-Mapping umfassen, unerlässlich wird.

Schlussfolgerung: ESG ist im Wandel, nicht im Verschwinden begriffen

Die Beweise deuten eindeutig in eine Richtung: ESG ist nicht tot; es entwickelt sich weiter. Auch wenn reißerische Schlagzeilen etwas anderes vermuten lassen, ist die Realität, dass das Engagement der Anleger weiterhin groß ist und die freiwillige Offenlegung zunimmt. Finanzinstitute und Unternehmen integrieren Nachhaltigkeit zunehmend in ihre zentralen Wertschöpfungsstrategien.

Auch wenn das Omnibus-Paket einige Berichtspflichten einschränkt, ist es eine Neukalibrierung und keine Aufgabe der Nachhaltigkeitsagenda.

Die ESG-Grundsätze sind noch lange nicht aus der Welt, sondern entwickeln sich weiter, um bessere Geschäftspraktiken in Europa und darüber hinaus zu fördern. Für Unternehmen und Finanzinstitute ist es an der Zeit, Nachhaltigkeit von einer Compliance-Übung in einen datengesteuerten Wettbewerbsvorteil umzuwandeln und dabei auch die neuen Möglichkeiten zu nutzen, die eine fortschrittliche, KI-gestützte ESG-Berichtssoftware bietet.

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